Achtung, jetzt wird es lang, aber wenn dich interessiert wie ich mich auf mein bisher längstes Rennen, die 17 km im Wörthersee, vorbereitet habe, dann viel Spaß beim folgenden Bericht!

Vorspiel

Anfang des Jahres war mir zwar klar, dass ich 2019 eine Schwimmsaison machen möchte, aber ich war noch unschlüssig darüber, in welche Richtung es gehen würde. Eine Variante ist immer der von Markus Füller organisierte Alpen Open Water Cup mit den Distanzen etwa zwischen 4 und 6 km, an dem ich schon mehrfach teilgenommen habe. Immer gut organisiert, schöne Seen und man trifft sich irgendwie jedes Jahr wieder. Aber ich hatte 2018 die Bodensee Openwater Querung über 11km mitgemacht und irgendwie reizen mich die längeren Strecken mittlerweile etwas mehr. Und wie so häufig war es dann der Zufall – kombiniert mit der Lässigkeit und Kaltschnäuzigkeit, die man eben hat, wenn der Wettkampf noch weeiiiit in der Zukunft liegt – der das Saisonhighlight bestimmte: Es kam irgendwann im Januar oder so eine Early-Bird-Mail für das Wörthersee Swim Event mit 3, 9, 10 und 17 km im September 2019. Ha, dachte ich, 10 km hatte ich letztes Jahr, dann doch gleich mal ne größere Portion – 17 km, gebucht!

Und auch gleich wieder verdrängt. Um diese Jahreszeit gehe ich ja gar nicht schwimmen muss man wissen, von Training also keine Spur. So sehr ich das Schwimmen liebe, so weiß ich auch, dass es mich nervt, wenn die Saison zu lang wird. Mittlerweile schwimme ich seit fast 40 Jahren wettkampforientiert und da mag man mir das verzeihen. Erfahrungsgemäß kriege ich in einer Saison so 400 km konzentriertes Training hin, danach ist Schluss. Geht die Saison also wie üblich bis September, dann fange ich lieber nicht vor April mit dem Training an. Bis dahin sitze ich auf dem Rad oder gehe laufen. Beginne ich dann im April – nachdem ich nahezu ein halbes Jahr nicht im Wasser war – dann kratze ich mich nach den ersten Einheiten etwas irritiert am Hinterkopf und frage mich, ob das alles wirklich so klug geplant ist von mir. Denn die ersten Wochen mit Umfängen von vielleicht 2 bis 3 km pro Einheit fallen einfach verdammt schwer und selbst die 4 bis 6 km des Cups erscheinen mir dann echt sehr, sehr lang. Naja, das war auf jeden Fall so der erste Moment, in dem die Zahl 17 wieder vor meinem geistigen Auge aufpoppte und es nicht viel Rechenkunst brauchte, um festzustellen: Das ist etwa das Doppelte meiner momentanen Wochenkilometer. Nicht gut, sozusagen dringend änderungsbedürftig! Glücklicherweise weiß ich aus Erfahrung, dass sich mein Körper relativ einfach wieder auf Trainingsdistanzen um 5 bis 6 km mit solidem Tempo einstellen kann. Darüber hinaus muss ich allerdings wirklich arbeiten. Und das hat mich schon ein wenig nervös gemacht.

Anbahnung

Wie auch immer, die Kilometer entwickelten sich langsam und auch der Saisonplan nahm Form an: 4 km Regattabahn, 6 km Simssee, 11 km Bodenseequerung, 10 km Hallstätt und dann, bestimmt, 17 km im Wörthersee (Fun Fact: Es gibt nicht nur zusätzlich noch den Wörthsee, mein Lieblingstrainingsterrain für Offenwassereinheiten, sondern auch noch den Wörther See, der, man höre und staune, bei Wörth liegt). In Kurzform zusammengefasst: Regattabahn, verweigert als ich von den Wassertemperaturen hörte, irgendwas zwischen 16 und 17°C, nicht meins (siehe oben). Simssee, fast wegen Gewitterwarnung ausgefallen, dann aber stattgefunden und für mich mit etwas über 1h20 super gelaufen (siehe oben). Dann die Trainingsumfänge für die Bodensee Querung langsam auf rund 15-20 km die Woche mit Maximaleinheiten von rund 7 km gesteigert. Start morgens um 6h in Friedrichshafen und dann so richtig schön Blitze und Regen als ich um 4h aufgestanden bin. Etwas skeptisch zum Startplatz gelaufen und, siehe da, das Wetter klarte auf und der Wettkampf wurde freigegeben. Was für eine Erleichterung (siehe oben)!

Nun aber… eigentlich war Bodensee als sub-maximaler Test für Hallstätt gedacht, ich wollte also nicht Vollgas schwimmen, zumal das Ganze nicht wirklich als Wettkampf, sondern eher als Event organisiert ist. Aber irgendwie hat es mich geritten und bei 6 oder 7 km habe ich mich dann entschlossen, konzentriert und ohne Verpflegung durchzuschwimmen und zu schauen, wie weit ich komme. Und das hat mit 2h35 auch ziemlich gut geklappt, auch wenn die letzten 2 km dabei durchaus mühsam waren. In Hallstätt, eine Woche später, war dann allerdings Zahltag, da ich mich in der kurzen Zeit einfach nicht ausreichend erholt hatte und ziemlich müde angereist war. Eigentlich war es ja umgekehrt gedacht, also Hallstätt schnell, Bodensee sub-maximal. Aber zum Schluss hat es sich als glückliche Fügung herausgestellt, denn der See hatte 17°C und dann wurden die 10km auch noch wegen Gewitterwarnung (ein Dauerbrenner dieses Jahr) abgesagt. Die Ersatz-4 km habe ich mir dann gespart und bin wieder nach Hause gefahren. Nicht schön, aber so ist es halt.

Direkte Vorbereitung

17 km zu schwimmen finde ich wirklich lang. Aber es gibt ja genügend Leute, die auch doppelte Bodensee Querungen machen oder sogar längs schwimmen (64 km!) oder allerlei Ozeanstraßen überqueren. Es geht ja immer noch ein bisschen extremer und all die 3-fach, 10-fach oder 20-fach Triathlon Langdistanzen legen ja beredtes Zeugnis davon ab. Wohlwissend, dass das sehr subjektiv ist, bin ich da persönlich ziemlich skeptisch und halte nicht viel davon, immer mehr drauf zu packen. In frühen Triathlonjahren, so Anfang der 90er, habe ich mich mal mit einem Kumpel darauf geeinigt, dass wir alles OK finden, was innerhalb eines Tages, idealerweise von Sonnenauf- bis -untergang, machbar ist. Damit soll keinem Hawaii-Finisher oder 24h-Schwimmer das Ergebnis oder der Wettkampf schlecht gemacht werden! Es ging uns eher darum, dass wir für uns die Fähigkeit, das Schlafbedürfnis zu unterdrücken, nicht zur sportlichen Leistung zählen wollten. Wie gesagt, subjektiv, aber für mich zählt das immer noch (ganz davon abgesehen, habe ich riesigen Respekt vor solchen Leistungen, es ist nur nichts für mich).

Zurück zu den 17 km. Für mich ist das allein deswegen lang, weil ich in meiner Jugend eigentlich Kurz- und Mittelstreckler war. Zur Orientierung, ich war 200m Brustschwimmer und durchaus in der erweiterten deutschen Spitze in der Jugend zu finden – aber für 1500m Kraul (Freiwasserwettkämpfe gab es damals noch nicht wirklich) hätte ich mich niemals für die DM qualifiziert. Ich bin entsprechend zu schwer und baue zu schnell Muskulatur auf, die ich dann mitschleppen muss. Dazu kommt, dass 10 bis 11 km Distanzen beim Schwimmen vermutlich etwa äquivalent zu vielleicht 36km beim Laufen ist, zumindest wenn man in etwa die Weltbestzeiten vergleicht. Also in etwa die Distanz, die gerade eben noch geht, bevor es beim Marathon unangenehm wird. Rechnet man das hoch, dann entsprechen die 17km Schwimmen etwas mehr als 60 km Laufen, also weit jenseits des Marathons und damit sehr fettstoffwechsellastig und somit auch ein deutlich anderes Tempo als bei der Bodensee Querung.

Das war dann auch die Devise für die Vorbereitung: Lang und locker, also ohne große Differenzierung in den letzten fünf Wochen an die langen Strecken gewöhnen. Konkret sah das dann so aus, das der Wochenumfang ca. 30km umfasste, aufgeteilt auf drei Einheiten von rund 10km. Nicht spannend, schon gar nicht auf einer 25m Bahn, aber gemessen am Zeit- und Energiebudget wohl am sinnvollsten (das Alter merkt man nicht nur daran, dass man langsamer wird, sondern auch daran, dass sich die Erholungszeiten drastisch verlängern… jaja, auch ärgerlich). Wenigstens einmal die Woche bin ich dafür in den Wörthsee gesprungen, der einfach wirklich ganz wunderbares Wasser hat und vergleichsweise warm ist. Zwar muss man für 10 km durchaus im Zickzack schwimmen – die Längsausdehnung beträgt etwa 3,6 km – aber dafür ist man auch ziemlich ungestört.

Race day nahte, die letzte 2-Tages-Kombi aus 10km Wörthsee und 7km Becken war absolviert, jetzt stand für die verbleibenden 10 Tage im Grunde nur noch ausruhen an… bis auf die 4,5 km Chiemsee, die ich mir spontan für das Wochenende vor Wörthersee, also erstes Septemberwochenende, auf den Wettkampfplan geschrieben hatte. Als finale Ausbelastung und als Versuch, noch mal ein schnelles Rennen zu machen.

Ja, hat dann nicht nur nicht funktioniert, sondern mich echt frustriert. Was macht man nämlich immer mal wieder? Genau, Fehler. Auch dumme Fehler, egal wie viel Erfahrung man hat. Meiner war an dem Tag, dass ich mein Antichafing nicht mit auf die Fraueninsel genommen hatte, einfach im Auto vergessen. Jetzt bin ich grundsätzlich sehr froh, dass ich dieses Antichafing überhaupt gefunden habe, viele Jahre bin ich häufig mit einem buchstäblich blutenden Nacken aus dem Wasser gestiegen, egal was ich mir da drauf geschmiert habe. Letzte Saison habe ich das Mittel meiner Wahl endlich gefunden und es funktioniert super! Also wenn ich es benutze. Hab ich dann aber nicht. Neben der Tatsache also, dass mich das Tempo der Führungsgruppe gnadenlos überfordert hat – so schnell war ich seit Simssee nicht mehr geschwommen – musste ich laufend meinen Neo im Nacken richten. Er wollte aber nicht reibungsfrei sitzen. Mit dem Ergebnis einer wirklich unbefriedigenden Zeit und einem offenen Nacken. Ersteres kann ich verknusen, viel war nicht zu erwarten bei dem Training. Aber letzteres ist eine Woche vor einem 17 km Rennen schlicht frustrierend – weil es nicht so schnell verheilt und dann noch total unnötig und selbstverschuldet ist.

Mein Nacken hat dann eine Woche lang eine solch hingebungsvolle Pflege und Aufmerksamkeit erhalten, wie noch nie in seinem Leben. Da wurde geschmiert und geschont wie es gerade ging. In der Hoffnung, dass die erste rosa Schicht drüber wächst, die dann 4 bis 5 Stunden im Wasser hält. Noch zwei, drei lockere Einheiten im Becken, ansonsten viel essen (nicht mein Ding) und soweit es geht ausruhen. Und die zunehmende Sorge: Reicht das alles überhaupt für 17 km und was mache ich wenn der Nacken aufgeht? Ja, ich höre sie jedes Mal rufen, „dann schwimm doch ohne Neo, ist doch viel authentischer!“ Nö, mach ich nicht. Warum? Nur so. Ok, ich hätte es in diesem Falle gemacht, hätte auch den Neo zwischendurch ausgezogen, aber – Spoiler! – ich musste es ein Glück nicht. Aber selbst mit Neo laufe ich blau an bei 22°C Wassertemperatur, ich bin ziemlich kälteempfindlich und weiß ehrlich gesagt nicht, woran es liegt.

Pre-Race Day

Anreise war dann einen Tag vor dem Rennen, also am Samstag, nach Klagenfurt über die ewig verstopfte A8, vorbei an Salzburg und über die Hügel zum Wörthersee. Unterkunft, check, Startnummernausgabe, check, Race briefing, ch… hä? Ok, ich will jetzt nicht unbotmäßig Kritik üben, aber ich habe noch nie in meinem Leben eine so irritierend unvorbereitete Wettkampfbesprechung erlebt. Ich will auch nicht in die Untiefen der Details einsteigen, aber bei einem See wie dem Wörthersee hätte ich gerne eine Idee davon, wo ich langschwimmen soll. Zwar waren bei der Powerpoint Präsentation die Umrisse des Wörthersees, die Startpunkte der verschiedenen Distanzen und das Ziel in Klagenfurt eingezeichnet, auch gingen von den Startpunkten jede Menge Linien zum Zielpunkt. Aber es stellte sich dann heraus, dass es sich dabei mitnichten um die Wettkampfstrecken, sondern einfach um illustrative Pfeile handelte, die buchstäblich nichts mit dem Kurs zu tun hatten. Es herrschte daher, zunehmend, sagen wir mal, eine gewisse Unruhe im Publikum, da ja nichts komfortabler gewesen wäre, als alle Wettkampfstrecken, farbig differenziert, mit allen Verpflegungsstationen und Bojen in der Präsentation darzustellen. War aber nicht, also blieb die exakte Strecke erstmal im Ungewissen. Was aber an Infos für die 17 km rüberkam war: Erste Verpflegung nach 7,5 km, zweite nach 14 km, erste Boje nach etwa 9 km (!), bis 14 km dann nochmal zwei oder drei und ab 14 km dann in enger Taktung. Naja, die Bootsfahrt von Klagenfurt zum Startpunkt in Velden würde sicherlich Klärung bringen, Ortsbesichtigung und so.

Race day

Egal wie viele Wettkämpfe ich schon gemacht habe in meinem Leben, ich bin ein nervöses Rennpferd. Meist schon zwei Tage vorher merke ich deutlich die Anspannung steigen. Das ist so bei mir, wird sich nicht mehr ändern und genau genommen versetzt es mich in den Zustand, den ich für einen Wettkampf vermutlich brauche. Es erfüllt also irgendwie einen Zweck. Morgens vor dem Start finde ich es dann aber durchaus herausfordernd, das zu essen, was ich eben essen muss und wenn das morgens um fünf stattfindet wird das nicht einfacher. Nicht wirklich schlimm. Aber manch einer beschäftigt sich in dieser Phase möglicherweise mit der Frage des Warums. Ist legitim, hilft nur nix. Und meistens weiß man ja während des Rennens wieder genau warum, spätestens danach.

7h in der Früh war dann Abfahrt des Schiffs, der Start für 9h vorgesehen. Na, wie häufig hab ich wohl kontrolliert ob ich mein Antichafing dabei habe? Genau, unzählige Male! Den gleichen Fehler macht man ja nicht zwei Mal, zumindest nicht innerhalb einer Woche. Wie versprochen wurde die Bojendichte dann mit größerer Entfernung vom Start immer geringer, bis… ja, bis halt weit und breit keine mehr zu sehen war. Unglücklicherweise war auch die visuelle Suche nach den Verpflegungsstationen erfolglos. Wirklich erkennbar gekennzeichnet, also so, dass man sie eindeutig aus dem Wasser hätte erkennen können, waren sie nicht wirklich. Leider gab es auch keine Lautsprecherdurchsagen mit Hinweisen auf Landmarks oder Orientierungspunkte oder eben die Verpflegungsstationen. Die Fragezeichen auf dem Boot wurden etwas größer und wichen dann einer zuversichtlichen Resignation. Es geht halt geradeaus, der Wörthersee ist ja eher lang als breit. Wird schon.

Glücklicherweise war ich auf der Fahrt mit Matze ins Gespräch gekommen, etwa mein Alter, etwa meine Leistungsklasse und, wie ich, Schwimmtrainer aus Leidenschaft. Wir waren uns ziemlich schnell einig, dass wir die Sache gerne erstmal gemeinsam angehen könnten. Wenn zwei nicht wissen wo es lang geht, ist man wenigstens nicht alleine beim Verschwimmen, dann kann man sich beim Zurückgehen ein bisschen unterhalten, haha.

An der Promenade in Velden dann in den Neo geschlüpft, tüchtig Antichafing in den Nacken gegossen, alles was nicht mit ins Wasser darf in den Rucksack gepackt, diesen abgegeben und los zum Startsteg. Halt, irgendwas ist an den anderen anders als an mir … bähmm, wenn man offiziell teilnehmen möchte, sollte man seinen Chip anlegen, wichtiges Detail. Also zurück zum Rucksack, ausgekippt, Chip gefunden und angelegt, alles wieder reingestopft und dann aber wirklich los!

Der Start erfolgt beim Wörthersee Swim über die Vorderkante eines Stegs, wobei sich die Startmatte auf dem Steg befindet. Man springt dann nacheinander rein und das ist alles ganz unhektisch, richtig auf Speed ist da keiner gedrillt. Matze und ich sind dann auch ganz entspannt reingesprungen nachdem schon ein paar Leute unterwegs waren, haben erstmal noch Brille und Kappe gerichtet und sind dann hintereinander, erstmal Matze voraus, losgeschwommen. Der Wörthersee ist ziemlich genau von Westen nach Osten ausgerichtet, man kann ihn aber grob in drei Teile teilen, wobei sich der erste Teil (von Velden aus) leicht nach Norden neigt, der mittlere dann wieder nach Süden und der letzte dann zurück nach Norden. Kann man auf der Karte ganz gut sehen. Es ging also darum, sich im ersten Drittel in Schwimmrichtung relativ rechts zu halten, im zweiten Drittel den See zu queren und sich dann im letzten Drittel – dort wo dann auch Bojen waren – links zu halten.

Diesen Orientierungsmaßgaben folgend sind wir dann zunächst mal auf die gerade eben erkennbare Landspitze am Ende des ersten Drittels zugeschwommen. Die Wetterbedingungen waren im Prinzip ziemlich ok. Es war zwar mit 12°C Lufttemperatur und immer mal wieder Regen – ja, es gab schon wieder Gewitterwarnung – ziemlich frisch. Aber der Wörthersee bleibt lange warm und hatte noch 22°C. Gleichzeitig war morgens kein Wind, der See entsprechend flach, sodass wir ziemlich ungestört schwimmen konnten. Ganz entscheidend war für mich, es am Anfang wirklich locker angehen zu lassen, fast als würde man sich nur ausschwimmen. Die Gefahr, auf der ersten Hälfte zu überpacen und dann auf der zweiten Hälfte richtig drauf zu zahlen, war mir definitiv zu hoch. Das ging aber tatsächlich ziemlich gut, der Respekt vor der Strecke bändigt einen dann doch.

Nach ca. vier Kilometern haben wir dann eine erste kurze Pause eingelegt, um Dinge zu erledigen, die man halt erledigen muss, haben kurz darüber gemutmaßt wo wohl die erste Verpflegungsstation ist und festgestellt, dass der Rest des Felds recht weit hinter uns ist und wir ziemlich alleine, begleitet durch ein Polizeiboot, auf dem See treiben. Ich finde das hat was. Man ist schon eine Stunde unterwegs, noch nicht wirklich weit gekommen, um einen herum ist niemand und ja, man ist ziemlich klein angesichts von so viel Wasser. Ganz anders, als wenn man irgendwo ein paar Runden schwimmt und dann fertig ist, ist so ein Schwimmen wie eine Reise. Durch den See und in sich selbst hinein.

Der nächste kurze Halt war dann nach insgesamt 6km. Im Prinzip, um sich mal kurz zu besprechen, wo es lang gehen könnte. Wir waren mittlerweile in Höhe der Landspitze angekommen und – siehe da – durch Zufall hatten wir genau auf Höhe der Verpflegungsstation gehalten. Vermutlich. Denn wir waren zu diesem Zeitpunkt mindestens 200m vom Ufer entfernt auf dem See und sahen nur eine Handvoll Menschen winkend auf einem Steg. Und es waren ja auch nicht 7,5 km, sondern erst 6 km… Lohnt sich das jetzt, die Extrameter zu machen und an Land zu schwimmen? Müssen wir? Nein, bestimmt nicht. Also weiter in die richtige Richtung. Dazu muss man natürlich sagen, dass man bei solchen Strecken immer seine eigene Verpflegung in der Boje dabei hat. Diese offizielle Verpflegung nicht wahrzunehmen bedeutet also nicht, dass wir keine Kalorien bekommen hätten. Ich habe meistens Gel dabei, Riegel oder irgendwas anderes Festes krieg ich nicht wirklich gut runter. Das mache ich dann erst, wenn sich der Magen wirklich leer anfühlt und ich ihn beschäftigen will. Und Flüssigkeit? Naja, ist ja genug Wasser da… da geb ich dann ab und an mal den Bartenwal.

Das zweite Drittel verlief dann relativ ereignislos. Die Richtung war einigermaßen klar, eben im Prinzip auf die nächste Landspitze zu, und irgendwo dort würde dann schon die erste Boje sein. Innerlich ist das natürlich alles andere als ereignislos, weil ich mir für mich ausgerechnet hatte, dass dieses Gefühl, das ich gerne mit „Oh, jetzt wird es schon ein wenig mühsam“ beschreibe und das vermutlich eng mit dem Versiegen der Kohlenhydratquellen korreliert, sich doch bitte erst deutlich jenseits der 10 km einstellen möge. Sonst gibt es zwei sehr ungemütliche finale Stunden… Es ist also schon ein Reinhorchen, ein Justieren der Energie, auch wenn man so langsam gerne schnell wäre (weil dann dauert es weniger lang und dann ist es ja nicht so anstrengend, oder? Haha…).

Irritierenderweise waren die ersten Bojen, die dann ins Sichtfeld kamen, diejenigen von anderen Schwimmern. Ich weiß nicht, wer es kennt, aber mir ist es sehr bekannt: Wenn man so lange und intensiv schwimmt (radelt, läuft), dann ist das mit der kognitiven Leistungsfähigkeit so eine Sache. Mir persönlich fällt es dann außerordentlich schwer, einfachste Rechenaufgaben zu erledigen, wie z.B. „Wie weit ist es noch?“ In diesem Fall hab ich dann ziemlich lange gebraucht, um zu checken, warum da jetzt Schwimmer sind. Irgendwann ist es mir dann eingefallen: Die 9 km waren erst um 12h weiter östlich gestartet und wir schwammen gerade bei ca. 11 km auf. Nicht, dass mich das gestört hätte. Ab jetzt war die Orientierung ziemlich leicht, sofern man dem Band hüpfender Schwimmerbojen vertrauen wollte. Was aber tatsächlich gut ging. Und nach so einer Strecke den ein oder anderen zu überholen tut auch nicht schlecht.

Stopp bei 11,5 km. Jeweils der Blick ins Gesicht des anderen: Ja, das Feuer lodert bei keinem von uns mehr richtig hell, es wird gerade, ja, ein wenig mühsam. Aber hey, zwei Drittel durch, jetzt kann ja fast schon nichts mehr anbrennen. Dachte ich. Was dann kam, waren aber tatsächlich die härtesten 3 km des Rennens, vielleicht sogar meines Schwimmerlebens (weiß nicht genau, man vergisst so viel…). Wir waren nach dem kurzen Stopp gerade eben um die Landspitze herum, quasi um die Ecke gebogen, und plötzlich kamen die Wellen. Ich wusste gar nicht wie mir geschah, ich hatte das Gefühl, es kommt von allen Seiten. Egal wohin ich atmen wollte, ständig kam da Wasser statt Luft. Gleiten oder strecken? Eher ein Wechsel aus runter ins Wellental fallen und den Arm etwa in Kopfhöhe in den nächsten Wellenberg rammen. Orientierung? Mühsam… Ist ja nicht so, dass ich das erste Mal bei Wellen geschwommen bin, aber wenn die Arme ohnehin gerade leer sind und langsam Hoffnung aufkeimt, das alles gut wird, naja, dann ist das ein wenig frustrierend. In dem Augenblick war ja auch nicht klar, ob das jetzt bis zum Ende so geht.

Ging es nicht, ein Glück! Verpflegungsstelle 2, Kilometer 14, eine halbe Banane und ein Iso Drink und plötzlich wieder glattes Wasser. Viele Menschen um uns herum, Bojen in Sichtweite. Ab da war klar, dass es gut gehen würde. Eigentlich muss man dann nur noch stur durchschwimmen, von Boje zu Boje denken, nicht weiter. Und dann passiert es halt: die Wasserrutsche des Strandbades kommt in Sichtweite, dann der Steg und an dessen Ende der Zielbogen, nach insgesamt etwa 4h50. Ein paar Meter gehen und plötzlich ist man dann durch, fast verwundert, dass es geklappt hat.

Leider war das Wetter dann auch im Zielbereich wirklich nicht sonderlich gut, kalt mit Regen, sodass eigentlich jeder ziemlich schnell die Flucht ergreifen musste, irgendwie und irgendwo wieder warm werden. Ich mag es eigentlich, einfach noch eine Zeit rumzusitzen, ein wenig sinnieren, alles noch auf mich wirken lassen. Aber das fiel leider aus. Mir war richtig kalt und, naja, die Versorgungslage war auch nicht ideal. Was vor allem schade war, dass die Ergebnisliste über die 17 km bei 6h43 abbricht. Weil leider das Rennen nachmittags wegen Gewittergefahr abgebrochen werden musste. Das ist fürchterlich ärgerlich für die Teilnehmer, die dann mittendrin, vielleicht sogar relativ kurz vor dem Ziel, aus dem Wasser müssen. Völlig eindeutig, dass Sicherheit vorgeht, aber schade ist es. Aber so ging es ja schon das ganze Jahr…

Und sobald ich vergessen habe, wie sehr es weh tat, melde ich mich wieder an! ?

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